Presseveröffentlichung 2011 |
| Leben in der eigenen Vergangenheit |
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| Demenzkranke laufen immer wieder davon und sind dann orientierungslos, erklärte Dieter Gerstner bei einem Vortrag über diese Krankheit in der Alten Villa. Symbolbild: Rittelmann |
| Leutershausen. "Anderland" nennt Dieter Gerstner die Welt, in der an Demenz erkrankte Menschen leben. Denn oftmals leben sie in einer anderen Welt - in ihrer eigenen Vergangenheit. Gerstner war drei Jahrzehnte als Kranken- und Altenpfleger in Weinheim und Umgebung tätig. Heute ist er im Ruhestand und Initiator des Runden Tischs "Demenz" in Weinheim. Da er durch seinen Beruf viel mit Demenzkranken zu tun hatte, kennt er sich mit der Krankheit aus. In seinem Vortrag "Demenz geht uns alle an", den er in der "Alten Villa" in Leutershausen gehalten hat, sprach er nun über den Umgang mit Erkrankten. Der Referent betonte, dass sein Vortrag keine wissenschaftliche Arbeit sei, es ginge ihm darum mit seiner Erfahrung den Angehörigen helfen zu können. Dennoch lieferte er den Anwesenden zunächst einige Fakten: In der Bundesrepublik sind derzeit etwa 1,2 Millionen Menschen an Demenz erkrankt, Tendenz steigend. Gerstner erklärte, dass Demenz lediglich ein Sammelbegriff ist, darunter gebe es 65 verschiedene Formen. Alzheimer ist dabei mit Abstand die häufigste. Grob beschrieb er die Krankheitsursachen, Möglichkeiten der Krankheit vorzubeugen und den Weg zur gesicherten Diagnose. Und dieser beinhaltet zahlreiche Tests wie neurologische und Bluttests, Computertomographie oder EEG (Elektroenzephalografie), also der Messung von Hirnströmen. Die Medizin habe große Fortschritte in der Behandlung gemacht, bisher werde dabei aber nur eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs erreicht. Doch Gerstner liegt in seinem Vortrag am meisten daran, dass sich Angehörige rechtzeitig über die Krankheit informieren, um sie zu verstehen und einen Zugang zum Betroffenen zu finden. "Ganz entscheidend ist es, die Biografie des Patienten zu kennen, damit man versteht, in welcher Welt der Vergangenheit er lebt." Wenn man die Biografie eines Menschen kenne, könne man ihn außerdem auch sinnvoll beschäftigen. "Wenn der Betroffene früher zum Beispiel gerne Gartenarbeit gemacht hat, kann man ihm kleinere Aufgaben im Garten geben. Häufig sind Alzheimerpatienten körperlich noch fit und wollen sich Bewegen." Der Drang zur Bewegung sei typisch für Erkrankte und berge einige Gefahren. "Demenzkranke laufen immer wieder davon und sind dann orientierungslos." Der ehemalige Altenpfleger schilderte Gründe für das Weglaufen. Manche Patienten würden denken, sie müssten zur Arbeit, andere suchten ständig etwas und wieder andere würden vor ihren Ängsten flüchten. Gerstner gab den Anwesenden einige Tipps, um sich den Alltag zu erleichtern. So könnten Patienten nicht unbemerkt Haus oder Garten verlassen, wenn an Tür und Törchen Klingeln installiert sind. Da die Pflege viel Aufwand erfordert, sollten sich Angehörige auch Hilfe suchen, die über die Sozialstation und den Pflegedienst hinaus geht. Zum Beispiel bei Bekannten, den Kirchengemeinden oder in Gesprächskreisen. "Das schlimmste, was man tun kann, ist sich abzukapseln. Angehörige sollten wirklich Hilfe annehmen." Das ist jedoch häufig leichter gesagt, als getan. Viele, die einen Demenzkranken pflegen, wissen nicht wohin sie sich wenden sollen. "Nur ein gutes soziales Netz kann Angehörige entlasten." Gerstner hat einige Ideen dazu. Er möchte vor allem die ehrenamtliche Hilfe ausbauen. "Wenn der kranke Vater nach der Tagesbetreuung nach Hause gebracht wird, kommen die Pflegenden gerade erst von der Arbeit. Wann sollen sie denn dann noch einkaufen?" Um seine Pläne voranzubringen, informiert Gerstner Interessierte. Sie sollen die Angst vorm Helfen verlieren. So versucht er langsam ehrenamtliche Betreuungsgruppen aufzubauen. Bisher ist es noch ein Ein-Mann-Projekt, aber das soll sich bald ändern. Abschließend lud Gerstner seine Zuhörer zur Informationsveranstaltung "Demenz geht uns alle an", am Samstag, 25. Juni, ab 14 Uhr, ins Rolf Engelbrecht Haus nach Weinheim ein. |
| Artikel aus der RNZ vom 17.06.2011 Er würde gern ein Nachtcafe für Demenz-Kranke einrichten |
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